Doppelte Haushaltsführung

Wohnung Kern
FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 6 K 134/11

Urteil des Berichterstatters vom 17.04.2013
Rechtskraft: Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, Az. des BFH: VI B 53/13
Normen: EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5, EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 Satz 6

Leitsatz:
1. Es muss im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles entschieden werden, ob der Steuerpflichtige einen Haushalt im Sinne der
doppelten Haushaltsführung unterhält.
2. Kann der Steuerpflichtige nicht nachweisen, dass er überhaupt etwas zum Haushalt beiträgt und halten die Eltern des erwachsenen Steuerpflichtigen, der
bereits mehrere Jahre nicht mehr zu Hause gewohnt hat, die Wohnung nur vor, liegt kein eigener Hausstand des Kindes vor.
ie Nichtanmeldung von Telefon, Fernsehen und Radio ist ein wesentliches Indiz gegen einen eigenen Hausstand des Kindes.

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass
begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach Nr. 5 Satz 2 der Vorschrift vor, wenn der
Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt.

In einem vom FG Hamburg entschiedenen Fall erklärte eine Steuerzahlerin Werbungskosten, die ihr aufgrund einer doppelten Haushaltsführung entstanden waren. Ihr Lebensmittelpunkt befinde sich nicht in ihrer Wohnung am Beschäftigungsort, sondern in der Einliegerwohnung im Haus ihrer Eltern, erklärte sie. Allerdings gab es keinen schriftlichen Mietvertrag und auch keine schriftliche Vereinbarung darüber, ob sie Kosten, die durch „ihre“ Einlieger-Wohnung entstanden sind, erstatten musste.
Bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer ist entscheidend, dass er sich in dem Haushalt, im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit, aufhält; denn allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte ist noch nicht als Unterhalten eines Hausstands zu bewerten. Ebenfalls wird ein eigener Hausstand nicht unterhalten, wenn der Arbeitnehmer die Haushaltsführung nicht zumindest mitbestimmt, sondern nur in einen fremden Haushalt –etwa in den der Eltern oder als Gast– eingegliedert ist.
Dann liegt keine eigene Haushaltsführung vor (BFH-Urteil vom 21. April 2010 VI R 26/09 in BFHE 230, 5, BStBl II 2012, 618, mit Hinweis auf BFH-Urteil vom 14. Juni 2007 VI R 60/05, BFHE 218, 229, BStBl II 2007, 890). Der eigene Hausstand muss vom Arbeitnehmer „unterhalten“ oder mitunterhalten werden. Unterhalten bedeutet die Führung eines Haushalts. Dazu gehört auch, dass der Arbeitnehmer für die Kosten des Haushalts aufkommt.In den Fällen, in denen dem Arbeitnehmer die Wohnung unentgeltlich überlassen wird, stellt sich in besonderer Weise die Frage, ob er einen eigenen Hausstand unterhält oder in einen fremden eingegliedert ist. Zwar ist die entgeltliche Einräumung einer Rechtsposition nicht Voraussetzung einer doppelten Haushaltsführung bei Alleinstehenden. Nutzt allerdings der Arbeitnehmer eine Wohnung unentgeltlich, ist stets sorgfältig zu prüfen, ob die Wohnung eine eigene oder die des Überlassenden, z. B. der Eltern, ist. Dabei ist das Merkmal der Entgeltlichkeit ein Indiz, das im Zusammenhang mit einer Gesamtwürdigung aller Umstände zu einer zutreffenden Beurteilung führen kann, nicht jedoch eine unerlässliche Voraussetzung (conditio sine qua non) für die Beantwortung der Frage,ob ein eigener Hausstand unterhalten wird. Denn ein eigener Hausstand kann bei Kostentragung im Übrigen auch in einer unentgeltlich überlassenen Wohnung geführt werden. Hier gilt nichts anderes als bei einem Familienhaushalt, bei dem es, wie dargestellt, auf die finanzielle Beteiligung des auswärts Beschäftigten an der „Haushaltsführung“ ankommt (s. dazu auch BFH-Urteile vom 12. September 2000 VI R 165/97, BFHE 193, 282, BStBl II 2001, 29; vom 04. November 2003 VI R 170/99, BFHE 203, 386, BStBl II 2004, 16; vom 14. Oktober 2004 VI R 82/02, BFHE 207, 292, BStBl II 2005, 98). Dies gilt sowohl für die Überlassung der Wohnung selbst als auch für die Kostentragung im Übrigen. Zwischen dem Unterhalten eines eigenen Haushalts und der Frage, wer die Kosten dafür trägt, ist zu unterscheiden. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass ein alleinstehender Steuerpflichtiger auch dann einen eigenen Haushalt unterhält, wenn nicht er selbst, sondern Dritte für diese Kosten aufkommen. Denn eine eigene Haushaltsführung des auswärts Beschäftigten ist nicht zwingend ausgeschlossen, wenn sich dessen finanzielle Beteiligung am Haushalt nicht feststellen lässt, wie auch umgekehrt aus einem finanziellen Beitrag allein nicht zwingend auf das Unterhalten eines eigenen Haushalts zu schließen ist (BFH-Urteil vom 28. März 2012 VI R 87/10, BFHE 236, 553). Ob ein Steuerpflichtiger
in einer Wohnung einen eigenen Hausstand führt, kann mithin nur unter Berücksichtigung insbesondere der Einrichtung, der Ausstattung und der Größe eben
dieser Wohnung entschieden werden. Wird der Haushalt in einer in sich abgeschlossenen Wohnung geführt, die auch nach Größe und Ausstattung ein
eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet, wird regelmäßig vom Unterhalten eines eigenen Hausstands auszugehen sein.
Ein eigener Hausstand
kann auch dann unterhalten werden, wenn der Erst- oder Haupthausstand im Rahmen einer Wohngemeinschaft (mit den Eltern) geführt wird.
Es sind aber auch die persönlichen Lebensumstände, Alter und Personenstand des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen. So wird regelmäßig ein junger Steuerpflichtiger, der nach Schulabschluss gerade eine Ausbildung begonnen hat, noch eher in den Haushalt seiner Eltern eingegliedert sein, wenn er im Haus der Eltern wohnt, selbst wenn er dort auch eigene Räume zur Verfügung hat. Hatte der Steuerpflichtige dagegen schon –etwa im Rahmen einer gefestigten Beziehung oder Ehe–andernorts einen eigenen Hausstand geführt, ist es regelmäßig nicht fernliegend, dass er einen solchen auch dann weiter unterhalten und fortführen wird, wenn er diesen aufgibt und wieder eine Wohnung im Haus seiner Eltern bezieht.

In diesem Urteil entschieden die Richter, dass die Eltern die Räume für Besuchszwecke der Tochter bereithielten und erkannten keine Werbungskosten an.

Doppelte Haushaltsführung – Entfernungspauschale

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BFH-Urteil vom 18.04.2013, VI R 29/12 (veröffentlicht am 3. Juli 2013)

1. Die Entfernungspauschale für eine wöchentliche Familienheimfahrt im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung kann aufwandsunabhängig in Anspruch genommen werden.

2. Steuerfrei geleistete Reisekostenvergütungen und steuerfrei gewährte Freifahrten sind jedoch mindernd auf die Entfernungspauschale anzurechnen.

Tatbestand:

1
I. Die Beteiligten streiten um den Werbungskostenabzug von Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung, insbesondere darüber, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hierfür tatsächlich Aufwendungen getragen haben muss.
2
Der verheiratete Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bei der DB Netz AG. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2007) machte er u.a. Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung für 48 Heimfahrten in Höhe von 5.199 € (48 Fahrten x 361 Entfernungskilometer x 0,30 € = 5.198,40 €) geltend. Der Erklärung war eine tabellarische Aufstellung der durchgeführten Familienheimfahrten beigefügt. Danach hat der Kläger elf Familienheimfahrten mit dem PKW durchgeführt, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) auch berücksichtigte. Die übrigen Familienheimfahrten mit der Bahn erkannte das FA hingegen nicht an. Für die Familienheimfahrten mit der Bahn seien dem Kläger keine Aufwendungen entstanden.
3
Hiergegen erhob der Kläger Einspruch. Zugleich reichte er eine Abrechnungsbescheinigung seiner Arbeitgeberin für August 2007 ein, auf der für Familienheimfahrten ein steuerfrei belassener Betrag in Höhe von 2.025 € ausgewiesen war.
4
Nachdem der Einspruch zurückgewiesen worden war, erhob der Kläger Klage. Im Klageverfahren wurde ihm vom Finanzgericht (FG) gemäß § 79b Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgegeben, Nachweise für die Aufwendungen vorzulegen, die ihm im Zusammenhang mit der Nutzung der Bahn entstanden seien, und einen Ansprechpartner seiner Arbeitgeberin zu benennen, der Auskunft insbesondere auch zu den bescheinigten steuerfreien Zuschlägen geben könne. Nach fruchtlosem Fristablauf wies das FG die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1040). Mangels entstandener Aufwendungen seien die vom Kläger geltend gemachten Werbungskosten für Familienheimfahrten mit der Bahn nicht zu berücksichtigen.
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Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
6
Er beantragt,
das Urteil des FG Sachsen-Anhalt vom 12. Dezember 2011 1 K 1228/09 sowie die Einspruchsentscheidung vom 19. August 2009 aufzuheben und die Einkommensteuer für das Jahr 2007 unter Berücksichtigung von (insgesamt) 47 Familienheimfahrten zu je 361 Kilometern auf 7.631,80 € und den Solidaritätszuschlag auf 491,75 € festzusetzen, hilfsweise die Rechtssache zur weiteren Sachaufklärung an einen anderen Senat des FG Sachsen-Anhalt zurückzuverweisen.
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Das FA ist der Revision entgegengetreten.
Gründe:

8
II. Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
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1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 der im Streitjahr geltenden Fassung des Einkommensteuergesetzes (EStG) können im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung Aufwendungen für die Wege vom Beschäftigungsort zum Ort des eigenen Hausstands und zurück (Familienheimfahrten) jeweils für eine Familienheimfahrt wöchentlich als Werbungskosten abgezogen werden.
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a) Zur Abgeltung der Aufwendungen für eine Familienheimfahrt ist eine Entfernungspauschale von 0,30 € für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen dem Ort des eigenen Hausstands und dem Beschäftigungsort anzusetzen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG). Die danach zu berücksichtigenden Beträge sind um steuerfreie Sachbezüge (§ 8 Abs. 3 EStG) zu mindern; ist der Arbeitgeber selbst der Verkehrsträger, ist der Preis anzusetzen, den ein dritter Arbeitgeber an den Verkehrsträger zu entrichten hätte (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 5 i.V.m. Nr. 4 Satz 5 EStG).
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b) Die Entfernungspauschale gilt unabhängig davon, ob die Familienheimfahrten zu Fuß, mit dem Fahrrad, dem eigenen PKW oder öffentlichen Verkehrsmitteln durchgeführt werden und ob dem Steuerpflichtigen überhaupt Kosten für diese Wege entstanden sind (vgl. Schmidt/Loschelder, EStG, 31. Aufl., § 9 Rz 109, 155; von Bornhaupt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 9 Rz F 82; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach –HHR–, § 9 EStG Rz 442, 450, 457; von Beckerath in Kirchhof, EStG, 11. Aufl., § 9 Rz 53, 90; Stark in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 9 Rz 16; Zimmer in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 9 Rz 820 ff.; Blümich/Thürmer, § 9 EStG Rz 282; Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, „Entfernungspauschale“ Rz 16; Lochte in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 9 Rz 136; Claßen, A. in Lademann, EStG, § 9 EStG Rz 55, m.w.N.; a.A. Söhn, Finanz-Rundschau 2001, 950). Zwar setzt die Regelung nach ihrem Wortlaut Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege vom Beschäftigungsort zum Ort des eigenen Hausstands und zurück (Familienheimfahrten) voraus, doch wird das Entstehen der Aufwendungen mit der Formulierung „Zur Abgeltung der Aufwendungen“ aus Vereinfachungsgründen gesetzlich unterstellt (Schmidt/Loschelder, a.a.O., § 9 Rz 109; von Beckerath in Kirchhof, a.a.O., § 9 Rz 53). Deshalb ist die Entfernungspauschale für Familienheimfahrten beispielsweise auch dann zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer (kostenfrei) von Verwandten abgeholt wird (Schmidt/Loschelder, a.a.O., § 9 Rz 155) oder als Mitfahrer einer Fahrgemeinschaft keine Aufwendungen hat (HHR/Bergkemper, § 9 EStG Rz 521; Schmidt/ Loschelder, a.a.O., § 9 Rz 155; Zimmer in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 9 Rz 820 ff.).
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c) Zu Recht weist die Vorentscheidung darauf hin, dass die Entfernungspauschale insoweit eine systemwidrige Begünstigung vermittelt. Denn üblicherweise setzt der Werbungskostenabzug nach § 9 EStG Aufwendungen und damit eine Vermögensminderung beim Steuerpflichtigen voraus (vgl. HHR/Bergkemper, § 9 Rz 442; von Beckerath in Kirchhof, a.a.O., § 9 Rz 45 f.). Das FG verkennt jedoch, dass die Entfernungspauschale, soweit sie –in Abweichung vom objektiven Nettoprinzip– noch als entfernungsabhängige Subvention wirkt, durch umwelt- und verkehrspolitische Lenkungszwecke sowie aus Gründen der Steuervereinfachung gerechtfertigt ist (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 11. Mai 2005 VI R 70/03, BFHE 209, 508, BStBl II 2005, 785, und vom 26. März 2009 VI R 42/07, BFHE 224, 448, BStBl II 2009, 724; von Beckerath in Kirchhof, a.a.O., § 9 Rz 45 f.; Lochte in Frotscher, a.a.O., § 9 Rz 136; a.A. HHR/Bergkemper, § 9 EStG Rz 442).
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aa) Der Steuergesetzgeber ist grundsätzlich nicht gehindert, außerfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele aus Gründen des Gemeinwohls zu verfolgen. Er darf nicht nur durch Ge- und Verbote, sondern ebenso durch mittelbare Verhaltenssteuerung auf Wirtschaft und Gesellschaft gestaltend Einfluss nehmen. Der Bürger wird dann nicht rechtsverbindlich zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet, erhält aber durch Sonderbelastung eines unerwünschten Verhaltens oder durch steuerliche Verschonung eines erwünschten Verhaltens ein Motiv, sich für ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zu entscheiden. Nur dann jedoch, wenn solche Förderungs- und Lenkungsziele von erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidungen getragen werden, sind sie auch geeignet, rechtfertigende Gründe für steuerliche Belastungen oder Entlastungen zu liefern. Weiterhin muss der Förderungs- und Lenkungszweck gleichheitsgerecht ausgestaltet sein und auch Vergünstigungstatbestände müssen jedenfalls ein Mindestmaß an zweckgerechter Ausgestaltung aufweisen (Urteil des Bundesverfassungsgerichts –BVerfG– vom 9. Dezember 2008 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210, BFH/NV 2009, 338, m.w.N.).
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bb) Diesen verfassungs- wie einfachrechtlichen Maßstäben wird die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG gerecht.
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Die Entscheidung des Gesetzgebers, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG in diesen Fällen so auszugestalten, dass die Vorschrift wie eine Steuervergünstigung wirkt, ist erkennbar von umwelt- und verkehrspolitischen Zielen getragen. Die Entfernungspauschale soll insbesondere die Chancengleichheit zwischen den Verkehrsträgern erhöhen und die Bildung von Fahrgemeinschaften honorieren (BTDrucks 14/4242, S. 5; BTDrucks 14/4435, S. 9). Darüber hinaus dient sie der Steuervereinfachung. Denn sie erspart beispielsweise Nachforschungen, ob der Steuerpflichtige die Wegstrecke allein oder in einer Fahrgemeinschaft zurückgelegt hat (von Beckerath in Kirchhof, a.a.O., § 9 Rz 45). Dies war bis zur Einführung der verkehrsmittelunabhängigen Entfernungspauschale durch das Gesetz zur Einführung einer Entfernungspauschale vom 21. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1918) notwendig. Denn bis zum Veranlagungszeitraum 2001 sind bei Fahrgemeinschaften bei dem einzelnen Mitglied Wegekosten nur insoweit berücksichtigt worden, als es sein eigenes Kraftfahrzeug eingesetzt hat (H 42 Lohnsteuer-Handbuch 1999 ). Bei Mitfahrern wurden mangels eigener Aufwendungen hingegen keine Fahrtkosten berücksichtigt, und zwar auch dann nicht, wenn sie für den Jahresschluss eine gegenseitige finanzielle Verrechnung vereinbart und durchgeführt hatten (BFH-Urteil vom 24. Januar 1975 VI R 147/72, BFHE 115, 52, BStBl II 1975, 561).
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Die Vermutung des FG geht deshalb fehl, der Gesetzgeber habe sich bei der Einführung der verkehrsmittelunabhängigen Entfernungspauschale im Hinblick auf Fahrgemeinschaften davon leiten lassen, dass es in aller Regel so sei, dass entweder die Mitfahrer sich an den Kosten beteiligten oder aber die Fahrer sich abwechselten, den einzelnen Beteiligten jedenfalls Aufwendungen entstünden.
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cc) Weiter sprechen auch systematische Erwägungen für eine aufwandsunabhängige Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG. Denn der Gesetzgeber trägt vermeintlich „aufwandslosen“ Fallgruppen durch gesetzliche Sonderregelungen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 5 i.V.m. Nr. 4 Satz 3 EStG ; § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 5 i.V.m. Nr. 4 Satz 5 EStG ; § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 6 EStG ) Rechnung (BFH-Urteil vom 28. Februar 2013 VI R 33/11, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt), denen es nach der Lesart des FG nicht bedürfte.
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dd) Schließlich steht der Erkenntnis, dass die Entfernungspauschale für eine wöchentliche Familienheimfahrt im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung auch dann angesetzt werden kann, wenn dem Steuerpflichtigen für diese Wege tatsächlich keine Aufwendungen entstanden sind, auch nicht das Senatsurteil vom 12. November 2009 VI R 59/07 (BFH/NV 2010, 631) entgegen. Zwar hat der Senat in dieser Sache entschieden, dass die Kilometer-Pauschbeträge für Familienheimfahrten des zur Berufsausbildung auswärts untergebrachten Kindes dann nicht bei der Ermittlung der für die Kürzung des Ausbildungsfreibetrages relevanten Einkünfte und Bezüge des Kindes als Werbungskosten abgezogen werden können, wenn die Eltern das Kind mit dem eigenen Kraftfahrzeug befördern und dem Kind dadurch keine eigenen Aufwendungen entstehen. Diese Entscheidung betrifft jedoch das Streitjahr 1999, mithin die Rechtslage vor Einführung der verkehrsmittelunabhängigen Entfernungspauschale zum 1. Januar 2001.
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2. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen; die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist allerdings nicht spruchreif und deshalb an das FG zur weiteren Sachaufklärung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
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a) Das FG wird im zweiten Rechtszug Feststellungen zur Anzahl der Familienheimfahrten und Arbeitgeberleistungen zu treffen haben. Denn nach § 3 Nr. 16 EStG steuerfrei geleistete Reisekostenvergütungen (nach den bisherigen Feststellungen zumindest ein Betrag in Höhe von 2.025 €), aber auch nach § 8 Abs. 3 EStG steuerfreie Sachbezüge (etwa Freifahrten, wenn die Beförderungsleistung zur Lieferungs- und Leistungspalette des Arbeitgebers zählt), sind beispielsweise mindernd auf die Entfernungspauschale anzurechnen (HHR/Bergkemper, § 9 EStG Rz 521; Schmidt/Loschelder, a.a.O., § 9 Rz 129, 155; Hartz/ Meeßen/Wolf, a.a.O., „Entfernungspauschale“ Rz 16, 72 ff.). Sofern der Kläger seiner Mitwirkungspflicht hierbei nicht genügt, ist das FG nach § 76 Abs. 1 FGO gehalten, entsprechende Auskünfte bei der Arbeitgeberin des Klägers, gegebenenfalls durch Zeugenbeweis, einzuholen.
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b) Der Senat sieht keinen sachlichen Grund, die Streitsache –wie vom Kläger hilfsweise beantragt– an einen anderen Senat des FG zurückzuverweisen.
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Gemäß § 155 FGO i.V.m. § 563 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung kann der BFH die Rechtssache durch besondere Anordnung an einen anderen Senat des FG zurückverweisen. Da die Zurückverweisung an einen anderen Senat das Recht der Beteiligten auf ihren gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes) berührt, setzt sie besondere sachliche Gründe voraus. Sie kommt in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Unvoreingenommenheit des FG-Senats bestehen, der das aufgehobene Urteil gesprochen hat (BFH-Urteil vom 25. November 2009 I R 18/08, BFH/NV 2010, 941, m.w.N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 126 Rz 15).
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Im Streitfall sind zureichende Anhaltspunkte für entsprechende Zweifel jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich. Allein die Unrichtigkeit des Urteils kann die Zurückverweisung an einen anderen Senat des FG jedenfalls nicht rechtfertigen. Denn die Frage einer Zurückverweisung stellt sich nur bei rechtsfehlerhafter Vorentscheidung (z.B. BFH-Urteile vom 24. September 1998 V R 82/97, BFH/NV 1999, 487; vom 27. Juli 2000 V R 38/99, BFH/NV 2001, 181, und in BFH/NV 2010, 941).
Normen:
EStG:9/1/3/4 EStG:9/1/3/5

Wie ermittle ich die Kosten für mein Arbeitszimmer.

Contemporary designed office (drawing)
Hier gibt es ein neues Urteil: (FG Düsseldorf, Urteil v. 4.6.2013 – 10 K 734/11 E; Revision zugelassen
Die auf ein häusliches Arbeitszimmer entfallenden, als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen sind grds. nach dem Verhältnis der Fläche des Arbeitszimmers zu der Wohnfläche der Wohnung (einschließlich des Arbeitszimmers) zu ermitteln. Aufwendungen, die auf andere Räume (Küche, Bad und Flur) entfallen, sind nicht – auch nicht teilweise – als Betriebsausgaben abziehbar.

Sachverhalt: Die Klägerin ist als selbständige Lebensberaterin tätig. Bei ihrem Auftraggeber steht ihr kein Arbeitsplatz für ihre Tätigkeit zur Verfügung. 2007 bezog sie eine Mietwohnung. In ihrer Gewinnermittlung zog die Klägerin Raumkosten für ein Arbeitszimmer als Betriebsausgaben ab. Nach dem Grundriss der Wohnung betrug die Fläche des Arbeitszimmers rd. 16 qm. Die Wohnfläche der gesamten Wohnung 88 qm. Als Raumkosten wollte die Klägerin aber auch die Hälfte des Wohnflächenanteils der Küche, des Bades und des Flures als Betriebsausgaben berücksichtigt haben. § 12 Nr. 1 EStG stehe der anteiligen Berücksichtigung der weiteren Räume im Hinblick auf den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21.9.2009 (Az. GrS 1/06) nicht entgegen, so die Klägerin.

Hierzu führte das Finanzgericht weiter aus:
Betriebsausgaben sind nach § 4 Abs. 4 EStG Aufwendungen, die durch den Betrieb bzw. eine berufliche Tätigkeit veranlasst sind. Diese Voraussetzungen sind bei einem häuslichen Arbeitszimmer erfüllt, weil der Steuerpflichtige dort ausschließlich oder zumindest nahezu ausschließlich seiner beruflichen oder betrieblichen Tätigkeit nachgeht.

Bei Räumen wie der Küche, dem Bad und dem Flur ist dies nicht der Fall. Diesen Räumen fehlt bereits die Ausstattung, die ein häusliches Arbeitszimmer prägt und die Voraussetzung dafür ist, die darauf entfallenden Aufwendungen abziehen zu können.

Eine Küche dient der Aufbewahrung und dem Zubereiten von Speisen und Getränken, das Bad der Körperpflege und der Flur dem Zugang zu sämtlichen zur Wohnung gehörenden Räumen. Bei den auf diese Räume entfallenden Aufwendungen handelt es sich daher um für den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgewendete Beträge i. S. von § 12 Nr. 1 EStG.

Die auf Wohnräume wie Küche, Bad und Flur entfallenden Aufwendungen sind auch nicht teilweise abziehbar. Die Benutzung dieser Räume hat, soweit es um die Küche und das Bad geht, nichts mit der Berufsausübung der Klägerin zu tun.

Der Flur wird zwar von der Klägerin auch genutzt, um das Arbeitszimmer zu erreichen. Selbst wenn man darin eine berufliche Mitbenutzung dieses Raumes sehen würde, obschon die berufliche Tätigkeit nur im Arbeitszimmer ausgeübt wird, können insoweit keine anteiligen Aufwendungen als Betriebsausgaben berücksichtigt werden, weil es an einem verlässlichen Aufteilungsmaßstab dafür fehlt.
Quelle: FG Düsseldorf online

Hinweis: Das Finanzgericht hat die Revision zum BFH im Hinblick auf ein dort bereits anhängiges Revisionsverfahren (BFH-Az. VIII R 10/12) zugelassen. Gestritten wird dort u.a. auch um die Frage, ob Aufwendungen, die in Zusammenhang mit der Nutzung von Flur, Küche und Toilette stehen, generell unter das Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG fallen oder zumindest ein teilweiser Abzug dieser Aufwendungen als Betriebsausgaben möglich ist? Fraglich sei dies insbesondere im Hinblick darauf, dass bei Anmietung eines Büros und zugehöriger Einrichtungen außerhalb der Wohnung ein Abzug dieser Aufwendungen anzuerkennen wäre.

Die Erstellung von Anwendersoftware und der Freiberufler

The Hacker
Auch die Tätigkeit als Entwickler von Anwendersoftware kann eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG darstellen. Hierzu einige Anmerkungen:
Bisher wurde davon ausgegangen, dass das typische Berufsfeld für den an einer Fachhochschule oder wissenschaftlichen Hochschule ausgebildeten Diplom-Informatiker nur das der Systemsoftware-Ent­wick­lung ist. Entsprechend der Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt wurde der Begriff erweitert. Das typische Berufsbild eines ­Diplom-Informatikers, das ursprünglich stark theoretisch ausgerichtet war, hat seit langem seinen Schwerpunkt von der Systemsoftware-Entwicklung auf das Gebiet der Anwendersoftware-Entwicklung verlagert. Grundlegende Probleme der Informatik seien in den 70er und 80er Jahren gelöst worden und die Systemsoftware sei weitestgehend standardisiert gewesen. Der Schwerpunkt habe sich daher in Richtung angewandte/praktische Informatik verlagert. Dementsprechend nimmt seither die Entwicklung der Anwendersoftware sowohl im Rahmen der Ausbildung als auch der Tätigkeit von Diplom-Informatikern mit wissenschaftlichem Abschluss einen breiten Raum ein. Zugleich haben Dissertationen mehr und mehr anwendungssoftwaretechnische Themen zum Gegenstand. Gegenstand der Forschungs- und Lehrtätigkeiten an den Hochschulen ist zur Zeit zunehmend die Entwicklung von großen und komplexen Anwendersoftware-Systemen. Entsprechende Lehrstühle für Softwaretechnologie, Softwareengineering oder Softwaretechnik sind eingerichtet. Für die Anwendung dieser Methoden – zumindest bei komplexeren Projekten – sei eine entsprechende naturwissenschaftliche Qualifikation notwendig.

Nicht jede Tätigkeit im Bereich der Entwicklung von Anwendersoftware ist allerdings eine freiberufliche i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG (vgl. z. B. zur Trivialsoftware .

Ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung “Technische Informatik” erzielt nach Auffassung des FG Berlin-Brandenburg (Urt. v. 21.8.2007, EFG 2007, 1884) gewerbliche Einkünfte, wenn er als Netzwerk- und Systemadministrator tätig wird, denn diese Tätigkeit soll nicht die Voraussetzungen einer ingenieurmäßigen Entwicklung von System- oder Anwendungssoftware erfüllen. Das FG ist der Auffassung, dass es nicht auf die formale Qualifikation ankommt, sondern auf die tatsächlich durchgeührte Tätigkeit. Allerdings stellt sich die Frage, ob nicht zumindest bei der Betreuung hochkomplizierter Systeme das breite und tiefe Wissen des Ingenieurberufs erforderlich ist. Es ist m. E. also auch weiterhin immer der Einzelfall zu prüfen.
Eine Tätigkeit als Ingenieur zeichnet sich dadurch aus, dass sie durch die Wahrnehmung von für den Ingenieurberuf typischen Aufgaben geprägt wird. Welche
Zu den Aufgaben des Ingenieurs gehört es , auf der Grundlage naturwissenschaftlicher und technischer Erkenntnisse und unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Belange technische Werke zu planen, zu konstruieren und ihre Fertigung zu überwachen. Typisch für den Beruf des Ingenieurs sind aber auch überwachende, kontrollierende und rein beratende Tätigkeiten, soweit sie nicht auf bloße Absatzförderung gerichtet sind. Kernbereiche des Ingenieurberufs sind im Einzelnen: Forschung und Lehre, Entwicklung, Konstruktion, Planung, Fertigung, Montage, Inbetriebnahme und Instandhaltung, Vertrieb, Beratung, Versuchs- und Prüfungswesen, technische Verwaltung und Betriebsführung, Produktions- und Prozesssteuerung, Sicherheit, Patent- und Normenwesen (vgl. BFH-Urt. v. 11.6.1985, BStBl II 1985, 584; v. 7.9.1989, BFH/NV 1991, 359; Brockhaus Enzyklopädie, 21. Aufl., Stichwort “Ingenieur”).
Auf dem Gebiet der EDV und der Informationstechnik gehören zu den Tätigkeiten von Ingenieuren nicht nur die Entwicklung und Konstruktion von Hard- und Software. Die Tätigkeit eines Ingenieurs umfasst nach der sehr deutlichen Urteilsbegründung des BFH auch die Entwicklung von Betriebssystemen und ihre Anpassung an die Bedürfnisse des Kunden, die rechnergestützte Steuerung, Überwachung und Optimierung industrieller Abläufe, den Aufbau, die Betreuung und Verwaltung von Firmennetzwerken und -servern, die Anpassung vorhandener Systeme an spezielle Produktionsbedingungen und Organisationsstrukturen sowie die Bereitstellung qualifizierter Dienstleistungen, wie etwa Benutzerservice und Schulung. Informatik-Ingenieure arbeiten u. a. auch in der Netz- und Systemadministration, sie beurteilen die Leistungsfähigkeit von Rechnernetzen oder bewerten die Energie­effi­zienz bestehender Systeme (zum Ganzen: Berufsinformationen der Bundesagentur für Arbeit, abrufbar unter www.berufenet.arbeitsagentur.de, Berufe “Ingenieur – Elektrotechnik/technische Informatik” und “Ingenieurinformatik”).

Steuerfreiheit der Umsätze einer selbstständigen Musiklehrerin nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSyst-Richtlinie 2006/112/EG

Geigenspielerin
FG Berlin – Brandenburg v. 26.03.2013 – 7 V 7361 / 12

Steuerfreiheit der Umsätze einer selbstständigen Musiklehrerin nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSyst-Richtlinie 2006/112/EG

Leitsatz
1. Die im Rahmen einer Franchising-Vereinbarung als Einzelunternehmerin eine Musikschule betreibende Erzieherin kann sich für die Umsatzsteuerfreiheit ihrer Umsätze auf die für Privatlehrer geltende Vorschrift des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j Mehrwertsteuersystemrichtlinie 2006/112/EG berufen.
2. Der Begriff „Schul- und Hochschulunterricht” i. S. d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystemRL beschränkt sich nicht auf Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern schließt andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studierenden zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben.

Gesetze: UStG § 4 Nr. 21 Richtlinie 2006/112/ EG Art. 132 Abs. 1 Buchst. j FGO § 69 Abs. 2 S. 2 FGO § 69 Abs. 3 S. 1
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig

Tatbestand

Gründe:
Die Beteiligten streiten darum, ob die Umsätze der Antragstellerin nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j Mehrwertsteuersystemrichtlinie – MwStSystemRL – von der Umsatzsteuer befreit sind.
Die Antragstellerin ist ausgebildete Erzieherin und hat eine Prüfung im Akkordeon-Lehrer-Verband bei der Musikschule B. abgelegt. An den durch diese Musikschule angebotenen Fortbildungsveranstaltungen nimmt sie regelmäßig teil.
Im Rahmen einer Franchising-Vereinbarung mit der Musikschule B. betreibt die Antragstellerin als Einzelunternehmerin eine Musikschule, indem sie in angemieteten Schulräumen erste melodische Ausbildungen für kleine Kinder und Musikunterricht, der auch auf Musikprüfungen vorbereitet, durchführt.
Für die Jahre 2009 und 2010 reichte die Antragstellerin Umsatzsteuererklärungen ein, in denen sie steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 35.329 EUR bzw. 33.992 EUR erklärte. Für die streitigen Voranmeldungszeiträume meldete sie ausgehend von steuerfreien Umsätzen Vorauszahlungen in Höhe von jeweils 0 EUR an. Auf Anfrage des Antragsgegners erläuterte sie, dass sie unter Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystemRL ihre Umsätze als Musiklehrerin als die einer Privatlehrerin für steuerfrei halte.
Der Antragsgegner folgte dem nicht und erließ am 23.11.2012 Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für das I. bis III. Quartal 2012, mit denen er die Umsatzsteuer auf 963,93 EUR, 1.194,71 EUR und 1.262,82 EUR (zusammen: 3.421,46 EUR) festsetzte.
Dagegen legte die Antragstellerin am 29.11.2012 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Der Antragsgegner lehnte den Aussetzungsantrag am 17. 12 .2012 ab. Der Einspruch ist nach Aktenlage nach wie vor anhängig.
Am 21. 12 .2012 hat die Antragstellerin einen Antrag nach § 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung – FGO – gestellt. Sie macht geltend, sie kontrahiere unmittelbar mit ihren Schülern, denen sie die streitigen Unterrichtsleistungen erbringe. Der Begriff des Privatlehrers setze keine Hochschulausbildung voraus, so dass sie auch die erforderlichen Qualifikationen aufweise. Dem entsprechend sei sie nach der einschlägigen Rechtsprechung Privatlehrerin i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystemRL, auf den sie sich berufe.
Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für das I. bis III. Quartal 2012 vom 23.11.2012 auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hält den Antrag für unbegründet, da die Antragstellerin keine Privatlehrerin i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystemRL sei. Denn nicht sie, sondern die Musikschule B. sei Trägerin der Einrichtung des Unterrichtsangebots. Es bestünden keine Rechtsbeziehungen zwischen der Antragstellerin und den einzelnen Schülern.
Dem Gericht haben je eine Einkommensteuer-, Umsatzsteuer-, Bilanz- und Rechtsbehelfsakte vorgelegen, die vom Antragsgegner für die Antragstellerin unter der Steuer-Nr. … geführt werden.

Gründe
Der Antrag ist begründet.
Es bestehen i.S. des § 69 Abs. 2 und 3 FGO ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll u.a. erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH– vom 10.02.1967 III B 9/66, Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFHE – 87, 447, BStBl 1967 III S. 182; Beschluss vom 07.09.2011 I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. BFH, Beschluss vom 22.03.2005 II B 14/04, BFH/NV 2005, 1379 m.w.N.). Zur Gewährung der Aussetzung der Vollziehung ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH, Beschluss vom 07.09.2011 I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590). Wie im Hauptsacheverfahren gelten auch im Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO grundsätzlich die Regeln über die objektive Feststellungslast mit der Folge, dass die Beteiligten entscheidungserhebliche Einwendungen im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten darlegen und ggf. glaubhaft machen müssen (BFH, Beschluss vom 26.08.2004 V B 243/03, BFH/NV 2005, 255).
Im Streitfall sind sich die Beteiligten zu Recht einig darüber, dass die Umsätze der Antragstellerin nicht die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 21 Umsatzsteuergesetz – UStG – aufweisen. Jedoch beruft sich die Antragstellerin mit Erfolg auf die Steuerfreistellung von Unterrichtsleistungen durch Privatlehrer gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystemRL, die durch den nationalen Gesetzgeber nicht ausreichend umgesetzt worden ist. Nach dieser Vorschrift befreien die Mitgliedstaaten den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht von der Umsatzsteuer. Die Antragstellerin erteilt bei summarischer Prüfung i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystemRL als Privatlehrerin Schulunterricht.
Der Begriff „Schul- und Hochschulunterricht” i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystemRL beschränkt sich nicht auf Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern schließt andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studierenden zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben (Gerichtshof der Europäischen Union, Urteile vom 14.06.2007 C-445/05 – Haderer, Umsatzsteuer-Rundschau – UR – 2007, 592, Rz 26; vom 28.01.2010 C-473/08 – Eulitz GbR, UR 2010, 174, Rz 30). Dazu ist es nicht erforderlich, dass der Unterricht in einen organisatorischen Rahmen eingebunden ist, der letztlich zu einem Ausbildungsabschluss führt (vgl. BFH, Urteil vom 10.01.2008 V R 52/06, BFHE 221, 295, UR 2008, 276).
Bei summarischer Prüfung hat das Gericht keine Zweifel daran, dass der von der Antragstellerin erteilte Unterricht geeignet ist, die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler zu entwickeln. Denn Musikunterricht gehört zu den klassischen Schulfächern und kann letztlich Grundlage für eine Berufsausbildung als Musiker oder Musiklehrer sein. Es kommt nicht darauf an, ob Schüler der Antragstellerin die letztgenannten Ziele tatsächlich verfolgen (BFH, Urteil vom 24.01.2008 V R 3/05, BFHE 221, 302, BStBl II 2012, 267). Daher stellt der Musikunterricht auch keine bloße Freizeitgestaltung dar. Dem entsprechend hat auch der BFH Musikschulunterricht als Schulunterricht angesehen (BFH, Urteil vom 20.08.2009 V R 25/08, BFHE 226, 479, BStBl II 2010, 15).
Die Antragstellerin war Privatlehrerin i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystemRL. Der Begriff des Privatlehrers setzt keinen bestimmten Ausbildungsgang voraus. Das Gericht verweist insoweit auf die Urteile des Finanzgerichts – FG – Hamburg vom 16.06.2011 6 K 165/10 (Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2012, 560) und des Niedersächsischen FG vom 19. 12 .2011 5 K 370/11 (EFG 2012, 882), denen es folgt. Da die Antragstellerin ausgebildete Erzieherin ist, verfügte sie über die für ihren Schülerkreis erforderlichen pädagogischen Fähigkeiten. Durch die von der Musikschule B. angebotenen Fortbildungen hatte sie nach Aktenlage die erforderlichen musikalischen Fachkenntnisse erworben. Sie hat den Unterricht nach Aktenlage in eigener Person erbracht.
Schließlich stand die Antragstellerin nach summarischer Prüfung auch – wie erforderlich (vgl. EuGH, Urteil vom 28.01.2010 C-473/08 – Eulitz GbR, UR 2010, 174, Rz 48 ff.) – in unmittelbaren Rechtsbeziehungen zu den von ihr unterrichteten Schülern. Das Gericht hält den dahin gehenden Vortrag der Antragstellerin für glaubhaft, da dies die bei Franchisingmodellen übliche Gestaltung ist. Der Franchisenehmer erwirbt typischerweise das Recht, eine eingeführte Marke und gewisse Serviceleistungen nutzen zu dürfen, erbringt die Leistungen an den Endkunden aber im eigenen Namen (vgl. Müller, UR 2008, 365 [366]; Weimann, Umsatzsteuer-Berater – UStB – 2008, 267). Daran hat der Franchisegeber ein ausgeprägtes Interesse, weil auf diese Weise das Akquisitions- und Beitreibungsrisiko beim Franchisenehmer liegt. Der Antragsgegner hat keine Anhaltspunkte mitgeteilt, weshalb es sich im Streitfall anders verhalten soll. Auch aus den vorliegenden Akten ergeben sich solche Anhaltspunkte nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Physiotherapeuten – Fortbildungkosten

VeränderungFortbildungs-und Seminarkosten sind bei Vorliegen der ausschließlich oder überwiegend freiberuflichen Notwendigkeit als Betriebsausgaben abzugsfähig. Auf Grund der geänderten Rechtsauffassung des BFH ist es mittlerweile möglich, ggf. gemischt veranlasste Fortbildungs-, Reise- und Seminarkosten in abziehbare Betriebsausgaben und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung nach Maßgabe der betrieblichen und privaten Zeitanteile aufzuteilen, wenn die betrieblichen Zeitanteile feststehen und nicht von untergeordneter Bedeutung sind (vgl. Aufteilung von Aufwendungen für eine gemischt veranlasste Fortbildungsveranstaltung BFH v. 21.4.2010, VI-R-66/04, BStBl II 2010, 685).
Zu den Fortbildungs- und Seminarkosten gehören u. a. Fahrtkosten in nachgewiesener Höhe oder ggf. die Pkw-Pauschale, Teilnahmegebühren, Unterkunftskosten und Mehraufwendungen für Verpflegung.

Selbständiger Prostituierte – Einkünfte aus Gewerbebetrieb

Prostituierte erzielen Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Mit diesem Beschluss vom 20.2.2013 GrS 1/12 gibt der Große Senat seine frühere Rechtsprechung auf, wonach Prostituierte sonstige Einkünfte im Sinne § 22 Nr. 3 ESTG erzielen.

Wie ist ein Fahrtenbuch zu führen ? /Teil 2

Gebundene oder in sich geschlossene Form?
Ein in Papier geführtes Fahrtenbuch muss gebunden sein, damit kein unbemerkter Austausch von Blättern möglich ist. Nachträgliche Abänderungen, Streichungen und Ergänzungen müssen als solche kenntlich werden.
>Hinweis<: Eine Loseblattsammlung von Papierblättern stellt daher kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch dar.
1. Sind elektronisch geführte Fahrtenbücher erlaubt?
Für elektronische Fahrtenbücher ist eine in sich geschlossene Form notwendig. Die geschlossene Form erfordert Eintragungen, die geordnet im fortlaufenden zeitlichen Zusammenhang erfolgen. Außerdem müssen nachträgliche Einfügungen oder Veränderungen ausgeschlossen sein, oder zumindest deutlich als solche in ihrer Reichweite bei gewöhnlicher Einsichtnahme dokumentiert sein. Diese Dokumentation der Reichweite der Änderung dürfte sich auch darauf beziehen, wann die Änderung erfolgt ist. Die Dokumentation der Änderungen muss bei der sog. bildlichen Wiedergabe, egal ob auf Bildschirm oder Papierdruck unmittelbar für das menschliche Auge erkennbar sein. Falls Änderungen ohne Dokumentation möglich sind, ist das Fahrtenbuch selbst dann nicht ordnungsgemäß, wenn die Eintragungen unmittelbar im Anschluss an die jeweilige Fahrt vorgenommen werden.
Die Dokumentation der Änderung könnte dergestalt erfolgen, dass auf der bildlichen Wiedergabe zunächst die verworfenen Daten durchgestrichen dargestellt werden und darunter der veränderte Datensatz mit Zusatzangabe des Änderungszeitpunkts angegeben wird.
Hinweis: Ein in Excel geführtes Fahrtenbuch ist nicht ordnungsgemäß, da es keine in sich geschlossene Form hat und dadurch manipulationsfähig ist.
2. Dürfen Daten nachträglich ergänzt werden?
Angaben zu Art, Zweck/Kunden, Ziel und Kilometerangaben der Fahrten dürfen nicht nachträglich ohne Dokumentation änderbar sein. Falls diese Angaben nicht zeitnah aufgezeichnet werden, hilft auch eine spätere Ergänzung anhand eines handschriftlichen Tageskalenders nicht.

Angaben zu jeder Fahrt
Welche Angaben muss ein Fahrtenbuch enthalten?
Folgende Angaben muss ein Fahrtenbuch zwingend enthalten – zu möglichen Erleichterungen für einige Berufsgruppen siehe später
– Datum der Fahrt,
— die Angabe der Uhrzeit ist nicht erforderlich;
– Ausgangspunkt und Reiseziel;
– Reisezweck, d. h. aufgesuchter Kunde/Geschäftspartner oder Gegenstand der dienstlichen Verrichtung (z. B. „Post holen“);
– Angabe der Kilometerstände zu Beginn und Ende jeder einzeln zu erfassenden Fahrt sowie die gefahrenen Kilometer in den einzelnen Spalten,
– keine gerundeten Kilometerangaben,
– die Angabe der gefahrenen Kilometer ist nicht ausreichend, die Kilometerstände am Beginn und am Ende der Fahrt sind zwingend mit anzugeben;
– Art der Fahrt (Wohnung–Arbeits-/Betriebsstätte, Privat, Beruflich/Betrieblich),
– bei Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb reicht ein kurzer Vermerk;
– bei Privatfahrten genügt die Angabe der Kilometer;
– Reiseroute bei Umwegen.
Fortsetzung folgt

Die Gewerbesteuer und der Physiotherapeut

Soweit Therapeuten sich im Bereich des erlernten Berufs betätigen, sind sie freiberuflich tätig und üben kein Gewerbe aus. In der jüngsten Zeit sind etliche Berufsträger aus wirtschaftlichen Gründen gehalten, neben der freiberuflichen Tätigkeit auch gewerbliche Tätigkeit durch Leistungserbringung (Unterrichtung in Gymnastik, Aerobic, Fitness etc.) oder durch Abgabe von Waren (Verkauf von Ruhewohlkissen, Büchern etc.) anzubieten. In diesem Fall ist bei einer Einzelpraxis der gewerbliche Teil vom freiberuflichen Teil getrennt zu betrachten, notwendigerweise sogar die Abgrenzung zu schätzen. Nur wenn keine Trennung mehr möglich ist, wird das gesamte Unternehmen wie ein Gewerbebetrieb behandelt und nach Abzug eines Freibetrags von 24 500 € auch der Gewerbesteuer zugeführt. Werden Mischtätigkeiten von einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts oder Partnerschaftsgesellschaft durchgeführt, so ist die Trennungssuche zwischen gewerblichem und freiberuflichem Anteil nicht mehr wichtig. Der gesamte Betrieb wird, wenn mehr als ein geringfügiger Anteil (im Fall des BFH-Urteils v. 9.12.1997 – XI R 12/98) von 1,25 % Gewerbeanteil noch nicht überschritten werden, bleibt die Freiberuflichkeit (des freiberuflichen Teils) erhalten. Bei einem höheren Anteil droht die Gewerblichkeit des gesamten Unternehmens.
Daumen hoch im Sportstudio

Für Arbeitnehmer: Werbungskostenabzug bei Pkw-Unfall auf dem Arbeitsweg

Wer als Arbeitnehmer auf dem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit seinem privaten Pkw einen Unfall erleidet, kann entsprechende Reparaturkosten für den Unfallschaden am Pkw regelmäßig als Werbungskosten steuermindernd ansetzen.
Fraglich war insoweit in einem aktuellen Streitfall vor dem Bundesfinanzhof, wie sich die Höhe des Werbungskostenabzugs ermittelt, wenn die Reparatur unterblieben ist. Leider kommt der Bundesfinanzhof hier zu dem Ergebnis, dass bei unterbliebener Reparatur der Unfallschäden die Kosten dafür unter dem Strich nur begrenzt als Werbungskosten abgezogen werden können.
Dem Urteilsfall lag folgender (hier aus Gründen der Übersichtlichkeit vereinfachter) Sachverhalt zu Grunde: Ein angestellter Steuerpflichtiger erlitt auf dem Weg zwischen Wohnung und Arbeit einen Verkehrsunfall. Der Schaden an seinem privaten Pkw war erheblich und hätte wahrscheinlich zu Reparaturkosten von etwa 10.000 EUR geführt. Der Verkehrswert des Fahrzeugs betrug jedoch nur 11.500 EUR. Da der Kläger aufgrund der nur geringen Differenz zwischen Reparaturkosten und tatsächlichem Verkehrswert des Fahrzeuges nicht an einer Reparatur interessiert war, verkaufte er das Fahrzeug in nicht repariertem Zustand für 3.500 EUR. Die Differenz zwischen dem Zeitwert (Verkehrswert) des Fahrzeuges vor dem Unfall in Höhe von 11.500 EUR und dem Verkaufserlös in Höhe von 3.500 EUR setzte er als Werbungskosten an. Insgesamt beantragte er also einen Werbungskostenabzug in Höhe von 8.000 EUR.
Sowohl das erstinstanzliche Finanzgericht als auch der BFH sind jedoch dieser Berechnung der abzugsfähigen Werbungskosten nicht gefolgt. Nach Meinung der obersten Finanzrichter der Republik bemisst sich der als Werbungskosten abziehbare Betrag nicht nach der Differenz zwischen dem tatsächlichen Verkehrswert vor dem Unfall und dem Veräußerungserlös. Die Richter wollen vielmehr die Differenz zwischen Veräußerungserlös und einem rechnerisch ermittelten (also fiktiven) Buchwert ansetzen.
Im Ergebnis führt dies dazu, dass die absetzbaren Werbungskosten bei unterbliebener Reparatur regelmäßig deutlich geringer sein dürften, als wenn die tatsächlichen Reparaturkosten angesetzt werden können.
Dieser Fall ist gegeben, weil insbesondere bei schon betagteren Fahrzeugen der rechnerisch ermittelte Buchwert deutlich unter dem tatsächlichen Verkehrswert liegen dürfte. Insoweit sind sogar Fälle denkbar, bei denen der rechnerisch ermittelte und fiktive Buchwert bereits null ist, während das Fahrzeug noch einen deutlichen Verkehrswert hat. Sofern in solchen Fällen noch ein Veräußerungserlös erzielt wird (bzw. der Veräußerungserlös lediglich oberhalb des rechnerisch ermittelten Buchwertes liegt), könnten bei unterbliebener Reparatur keine Werbungskosten für den erlittenen Schaden abgezogen werden.
Alles in allem ist die steuerliche Systematik hinter diesem Urteil erkennbar und in der Subsumtion auch folgerichtig. Dennoch entbehrt ein solches Ergebnis definitiv der menschlichen Logik. Darüber hinaus sollte in Extremfällen überlegt werden, ob bei einem rechnerisch ermittelten Buchwert von null und einem tatsächlich vorhandenen Verkehrswert nicht ein Verstoß gegen das Grundgesetz vorliegt. Insoweit könnte das Gebot der Besteuerung nach der allgemeinen Leistungsfähigkeit missachtet worden sein. Schließlich hat auch in solchen Fällen der Steuerpflichtige einen definitiven Unfallschaden erlitten, den er jedoch steuerlich nicht zum Ansatz bringen kann. Gleiches gilt selbstverständlich in grundsätzlich allen Fällen, in denen der rechnerisch ermittelte Buchwert unterhalb des Veräußerungserlöses liegt. Es bleibt daher abzuwarten, ob hier noch mit konkretisierender Rechtsprechung gerechnet werden darf.
accident - car crashed into tree